Freistilmeisterschaften der Frauen, Kadetten und Aktiven in Einsiedeln.
Einmal Gold und je zweimal Silber und Bronze an den Schweizer Meisterschaften waren für die Einsiedler Ringer vor eigenem Publikum ein Erfolg.
W.S. Mit insgesamt 177 Teilnehmern bei den Frauen, Kadetten und Aktiven waren die Titelkämpfe gut besetzt. Erfreulicherweise konnte der leichte Abwärtstrend der letzten Jahren bei den Aktiven gestoppt werden. Durch geringfügige Veränderungen der Gewichtsklassen kam es doch einige Überraschungen. Herausragende Ringer waren die beiden Olympia-Anwärter Randy Vock und Stefan Reichmuth. Sie fanden in ihren Gewichten keine ernsthaften Gegner vor und holten lauter Punktesiege.
Bei den Frauen gaben die deutschen Vertreterinnen klar den Ton an. Aus Schweizer Sicht am meisten Potenzial hat die Freiburgerin Daniela Lötscher, die den Weg auf internationaler Ebene machen könnte.
Die Ringerriege Einsiedeln ging mit 17 Wettkämpfern an den Start und stellte hinter Schattdorf (18) das zweitgrösste Kontigent.
Mazan holte Titel
Der 36-jährige Adrian Mazan wurde in seiner Doppelfunktion als Ringer und Turnierarzt Publikumsliebling. So musste er wegen kleineren Blessuren öfter eingreifen. So etwa kurz vor seinem Finalkampf und verlor dabei die Konzentration nicht. Mit seinem einzigartigen Kampfstil, seinem undbändigen Siegeswillen und der absoluten Leidenschaft, die er an den Tag legte, verschaffte er sich beim Publikum grossen Respekt. Dass der mehrfache polnische Meister immer noch mit allen Wassern gewaschen ist, unterstrich er auf dem Weg in den Final. Der «Schraubenkünstler» erreichte diesen mit vier souveränen Siegen. Mit einem Überlegenheitssieg gegen Roger Junker schloss er seinen gelungenen Auftritt ab. «Es hat alles gut begonnen. Ich stieg locker in den Kampf und sagte mir, dass ich nichts zu verlieren habe», berichtete er. Er freute sich denn auch riesig über den Titelgewinn. Dass der Doktor auch beim Abräumen Hand anlegte, spricht für seine Einstellung.
Andreas Burkard Silber
Nur wenig fehlte und Titelverteidiger Andreas Burkard wäre erneut zu Ehren gekommen. Mit drei Siegen stand sein Finalkampf bis 86 Kilogramm fest. Es begann hier alles gut gegen Marc Weber. Der Wirtschaftsstudent lag nach der ersten Runde mit 6:4 vorn. In Führung liegend holte sein konditionell starker Widersacher wegen einer kurzen Unaufmerksamkeit seines Kontrahenten eine Viererwertung und Burkard vergab damit den Titel. Man konnte seine Enttäuschung nachvollziehen. «Es war ein bitterer Moment. Da ist der Sieg greifbar nahe und dann entgleitet er mir im letzten Moment durch einen dummen Fehler. Das hätte mir nicht passieren dürfen.» Doch bereits nach kurzer Zeit konnte der faire Verlierer wieder lachen und verspricht: «Wenn ich wieder einmal im Final stehen sollte, lasse ich mir den Sieg nicht wieder auf solch ärgerliche Weise wegnehmen.»
Die Neyers Brothers
Es dürfte wohl eher selten vorkommen, dass gleich drei Brüder an Schweizer Meisterschaften aufs Podest steigen können. Das gelang drei von fünf Neyer Brüdern, die sich allesamt dem Ringen verschrieben haben. Der 17-jährige Kay Neyer holte sich bei den Kadetten im stark besetzten Gewicht bis 60 Kilogramm die bronzene Auszeichnung. Nach seinem Sieg in Spanien setzte er die Messlatte hoch an und zog in den Vorkämpften gegen den späteren Meister den Kürzeren. Doch mit fünf Siegen belegte er am Schluss Platz 3.
Im Gewicht bis 70 Kilogramm stiessen Jan und Lars Neyer mit je drei Siegen und einer Niederlage in den Halbfinal vor. Im «Bruderkampf» um den dritten Platz konnte Jan seinen jüngeren Bruder Lars besiegen. Für Sven, mit 30 Jahren der älteste der «Ringer-Brüder», gab es eine Silbermedaille. Er unterlag einzig dem späteren Meister Andrii Vyshar deutlich nach Punkten.
Schade, dass Kaderringer Yves Neyer, wegen einer erneuten Knieverletzung nicht starten konnte.
Neben diesen Exploits können die Einsiedler weitere Diplomgewinne vorweisen. Im Kampf um die Bronzemedaille unterlag Dany Kälin und belegte den undankbaren vierten Rang. Der wie gewohnt geradlinig kämpfende Michel Schönbächler hatte harte Kämpfe hinter sich zu bringen und wurde Fünfter. Die Ausmarchung um den Einzug in den Halbfinal unterlag er nur knapp.
Jonas Kälin (6.), Cyrill Kälin (5.) und Jan Walker (6.) trugen mit ihren Klassierungen viel zur guten Einsiedler Bilanz. Jene, die vorzeitig auf der Strecke blieben, konnten weitere Erfahrung sammeln. Das gehört zur ringerischen Entwicklung einfach dazu.
«Erfolgreiche Titelkämpfe.» So bezeichnete Einsiedelns Trainer Urs Bürgler die Auftritte seiner Schützlinge. Als OK-Präsident dieser Meisterschaften durfte er viele Komplimente von Verbandsverantwortlichen entgegennehmen. Ein aufrichtiges Wort des Dankes und der Anerkennung verdienen an dieser Stelle die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer, die für einen reibungslosen Ablauf sorgten. Viele Sponsoren ermöglichten, dass die Aktiven nicht mit leeren Händen den Heimweg antreten mussten.
Aus der Rangliste
Kadetten:
47 kg: 8. Roman Bisig, 53 kg: 9. Andrin Kauflin, 60 kg: 3. Kay Neyer, 6. Jonas Kälin, 19. Magomed Dzahadov, 66 kg: 5. Cyrill Kälin, 6. Jan Walker, 13. Edy Gugolz
Aktive:
60 kg: 3. Dany Kälin, 65 kg: 5. Michel Schönbächler, 13. Lorenz Schönbächler, 70 kg: 3. Jan Neyer, 4. Lars Neyer, 75 kg: 1. Adrian Mazan, 15. Peter Kärcher, 86 kg: 2. Andreas Burkard, +97 kg: 2. Sven Neyer
Werner Schönbächler
Interview mit Davor Stefanek
«Ich musste mal die Akkus aufladen»
Der erfolgreichste Ringer Serbiens
Davor Stefanek ist der einer der grössten Sportler Serbiens. Über seinen historischen Olympia Triumph und seine Pläne spricht er in einem Interview. Der 33-jährige Ausnahmekönner im griechisch-römischen Stil kann viele Erfolge auf internationaler Ebene vorweisen.
Herr Stefanek, nachträglichen Glüchwunsch zu Ihrem historischen Erfolg an den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro. Können Sie sich an den Finalkampf im Gewicht bis 66 Kilogramm noch erinnern?
Es war eine sehr knappe Angelegenheit gegen den Vertreter Armeniens. Der Kampf endete 1:1 unentschieden, da ich den letzten Punkt holte, wurde mir reglementsgemäss der Sieg zugesprochen. Es war einer der intensivsten Kämpfe meiner Laufbahn. Ich konnte kaum mir stehen und wollte eigentlich schnell ins Bett.
Wie haben Sie den Sieg gefeiert? Dachten Sie nach diesem Erfolg an den Rücktritt?
Zuerst wurde ich von meinen mit gereisten Fans in der Hotelaula ganz toll empfangen und es ging bis spät in die Nacht, statt ins Bett. Der Empfang in meinem Wohnort Subotica war einzigartig und verrückt. Die ganze Bevölkerung war auf den Beinen. Viel Prominenz aus Politik und Wirtschaft richteten Worte an mich. Das war ein irres Gefühl. So was vergisst man wohl nie. Das hat mich motiviert, meine Laufbahn noch nicht zu beenden.
Sie haben weitere Erfolge nach Rio verbucht, aber an den diesjährigen Europameisterschaften in Bukarest sind Sie nicht angetreten. Was ist der Grund für diese Pause?
An den Europameisterschaften 2017 in meinem Heimatland gewann ich die Silbermedaille fund ein Jahr darauf wurde ich an den Welttitelkämpfen von einer Fachjury zum «Besten Ringer der Welt» gewählt . Ich musste einen eigentlichen Medienmarathon absolvieren, was mich freute, da ich damit die Möglichkeit hatte, den Ringsport in der medialen Aussendarstellung auf ein anderes Level zu hieven. Ich musste danach das Training runterfahren und die Akkus wieder aufladen – einfach mal andere Sachen machen.
Wie hat sich Ihr Leben durch den Erfolg von Rio verändert?
Es ist viel mehr zu tun. Ich habe Anfragen aus aller Welt, Lehrgänge für Trainer zu leiten. So war ich erst kürzlich in Indonesien. Weiter bin Präsident des serbischen Ringerverbandes.
Werden Sie an den Weltmeisterschaften im September 2019 in Astana an den Start gehen?
Wegen einer Augenoperation kommen die Weltmeisterschaften für mich zu früh. Da ich in letzter Zeit viele andere Sachen gemacht habe, muss ich mich wieder so richtig ins Ringen einbringen und täglich hart arbeiten. Mein Ziel ist natürlich Tokio.
Davor Stefanek, welche Werte verbinden Sie mit Olympischen Spielen?
Freude, Jugend, Motivation, gegenseitiger Respekt. Und vor allem Mut.
Warum Mut?
Ja. Es braucht Mut, sich dem Wettbewerb zu stellen. Natürlich in einer Zweikampfsportart wie Ringen, aber auch in der Leichtathletik, im Schwimmen oder Hockey. Wer das Risiko einer Niederlage scheut, meidet lieber den Wettbewerb.
Ist es denkbar, dass Sie bald einmal zurücktreten?
Rein vom Körper her bin ich absolut fit. Das ist das eine. Anderseits bin ich 33 und schaue, was das Leben sonst noch zu bieten hat. Im Ringsport gehöre ich zu den Alten, aber das muss nicht unbedingt ein Nachteil sein. Doch es wird schon immer enger. Wenn der Kopf sagt, jetzt musst du nicht mehr kämpfen, jetzt sind andere Dinge wichtiger, dann höre ich sofort auf.
Interview mit Viktor Nemes
«Ich musste für den Weltmeistertitel hart schuften»
Viktor Nemes hat noch ein grosse Ziel
Viktor Nemes holte den Weltmeisterschaften 2017 in Paris die Goldmedaille im griechisch-römischen Stil. Dabei hielten sich seine Erfolge in den ersten Jahren auf internationaler Ebene in Grenzen. Doch mit dem 2. Platz an den Europameisterschaften 2016 in Riga im Gewicht bis 75 Kilogrammen stellten sich seine grössten Siege ein.
Viktor Nemes seit wann betreiben Sie den Ringsport?
Im Alter von fünf Jahren 1998 habe ich mit dem Ringen angefangen. Die serbische Provinz Vojvodina, wo viele Leute ungarischer Abstammung leben, ist eine eigentliche Hochburg des serbischen Ringsports.
Sie haben in den verschiedenen Altersgruppen an insgesamt 19 Welt- und Europameisterschaften sowie den Olympischen Spielen 2016 teilgenommen und dabei Hochs und Tiefs erlebt.
Das ist tatsächlich so. So wurde ich 2015 Europameister in der Altersgruppe U23, schied aber im gleichen Jahr an den Weltmeisterschaften nach der zweiten Runde aus. Doch ein Jahr später wurde ich Zweiter an den Europameisterschaften und Achter an den Olympischen Spielen.
Ihren Höhepunkt erlebten Sie 2017 mit dem Gewinn des Weltmeistertitels in Paris mit sechs Siegen.
Definitiv. Das war bisher mein absoluter Highlight. Ich habe den Moment der Siegerehrung sehr genossen und bekam Lust auf mehr. Hinter diesem Erfolg steht jahrelanges Training, viele Rückschläge, Verzicht, Schweiss und Blut. Trotzdem bin dich dran geblieben und habe mir die Lust und Leidenschaft erhalten.
Werden Sie von den Gegnern härter angepackt, seit sie Weltmeister sind?
Noch härter anpacken geht nicht. Man steht sich gegenüber. Mann gegen Mann. Und dann wird gegeneinander gekämpft. Wer nicht kämpfen will, der ist falsch beim Ringen.
Gibt es das nicht, dass Sie denken, den krieg’ ich mit links, da reichen 80 Prozent?
Doch, doch, das kann schon passieren, dass man nicht mit hundert Prozent bei der Sache ist, dann wird’s aber gefährlich. Wer die falsche Einstellung hat, der ist auch ganz schnell draussen, weil es im Ringen eben blitzschnell geht.
Haben Sie den serbischen Ringsport durch Ihren Erfolg weitergebracht?
Das kann ich selber nicht beurteilen, da ich die genauen Zahlen der Mitgliederbewegung nicht kenne, doch bei Ringer-Events stand ich teilweise vor über hundert Kindern auf der Matte.
Hat sich der Weltmeistertitel für Sie persönlich und finanziell gelohnt?
Es hat sich schon ausbezahlt, aber ich bin damit nicht reich geworden. Der finanzielle Wert stand bei mir nie im Fokus, Ringen ist für mich mehr eine Lebenseinstellung. Dass der finanzielle Erfolg im Sport einhergeht, mag vorkommen, muss aber nicht. Als Weltmeister oder Olympiasieger hat man in Serbien das Privileg, mit 40 Jahren eine lebenslange Pension beziehen zu können. Ich muss und will nach meiner Sportlerlaufbahn noch arbeiten.
Welches sind Ihre nächsten Ziele?
Mein Ziel ist die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. Wenn ich das erreiche, ist alles möglich. Mein Trainingspartner Davor Stepanek ist mein Vorbild und Olympiasieger geworden, was auch mein Ziel ist. Doch ich weiss, dass die Konkurrenz sehr stark ist und Sieg und Niederlage nahe beieinander liegen.
Jeder Sportler, der in Tokio startet, hat als Traum eine Goldmedaille. Welchen Wertzuwachs bringt es, im Leben ein Ziel zu haben?
Ziele geben Orientierung. Dabei ist es egal, ob das Ziel im Sport oder im Privaten liegt. Natürlich besteht die Möglichkeit des Scheiterns, aber ein Ziel gibt uns eine Richtung vor. Das bewegt Menschen dazu, sich aus dem Sessel aufzuschwingen.
Werner Schönbächler