Am Samstagabend zeigte sich einmal mehr, dass Ringen ein grossartiges Liveerlebnis sein kann. 870 Zuschauer sorgten für Stimmung in der rappelvollen Sporthalle.
W.S. Die Atmosphäre im Ringen, das wird jeder bestätigen, der am Samstagabend dabei gewesen ist, kann, Pardon: ziemlich geil sein. Bereits eine halbe Stunde vor Beginn des Halbfinal Hinkampfes machten die Fans beider Lager Stimmung. Die Pauken wurden schon warm geschlagen. Die Fans aus dem Rheintal kamen zahlreich und vor allem lautstark. Sie positionierten sich vis-à-vis der Einsiedler Anhänger – ein wahrer Hexenkessel entstand. Es war ein Wechselbad, dass die 870 Zuschauer erlebten: enge Duelle, Entscheidungen in den letzten Kampfsekunden und Athleten, die bis ans Ende ihrer Kräfte gingen. Doch egal, wie der Punktestand war – die eigenen Ringer wurden über die gesamte Kampfdauer angefeuert und jeder Punktegewinn frenetisch gefeiert. «Die Stimmung ist genial, im Kampf spürt man das enorm. Es ist wie ein Feuer unter einem Kessel», beschreibt Schwergewichtler Sven Neyer die Ambiane während eines Kampfes. Auch Patrick Dähler, der Überraschungsmann des Abends, war von der Stimmung angetan. «Alle unsere Fans sind da, geben alles und feuern uns an. Es ist sensationell.» Andreas Burkard sagte: «Ich nehme während des Kampfs den Lärm wahr, einzelne Stimmen höre ich aber nicht raus – mit einer Ausnahme: Die Stimme des Trainers höre ich, darauf bin ich fixiert.» Bei der herrschenden Geräuschkulisse eine Meisterleistung. Beide Fangruppen unterstützten ihre Helden und verhielten sich äusserst fair. Eine starke Leistung bot auch das Kampfrichtertrio. Der Samstagabend war für den Ringkampfsport ein Festtag. Viele Sportfreunde mögen eben diese olympische Ur-Disziplin, die in fast 200 Ländern betrieben wird. Das sind hartgesottene Burschen am Werk. Föhnfrisierte Schönlinge sind hier fehl am Platz. Ringen taucht sogar in der olympischen Hymne von 1896 auf, es ist Teil der olympischen DNA. «Beim Laufen, Ringen und beim Weitwurf erleuchte die Kraft, die den edlen Spielen innewohnt. Und kröne mit dem nie verwelkenden Zweig, und mache den Körper ehrenwert und wie aus Stahl», heisst die zweite Strophe der offiziellen Hymne des IOC. Die Welt hat sich seither verändert. Ringen in den Grundzügen nicht, ist aber Dank des Updates attraktiver geworden. Ringen ist rasanter geworden – schnell. Laut. Heavy-Metal, Dorfdisco und Ballermann peppen das Ganze auf. Das mag in manchen Ohren zwar schrecklich klingen, ist als Liveerlebnis aber ziemlich gut. Wer je beim Ringen war, wird das nicht vergessen. Ob man den Sport mag oder nicht.
Werner Schönbächler